Die Generaldirektion für Verteidigungsindustrie und Raumfahrt (DEFIS) der Europäischen Kommission veröffentlichte im Dezember 2020 eine Ausschreibung zur Bewertung von sieben hochmodernen alternativen Plattformen für Ortung, Navigation und Zeitgebung (A-PNT). Die Gemeinsame Forschungsstelle (JRC) übernahm die wissenschaftliche Leitung und führte eine achtmonatige Testkampagne durch, die im September 2021 begann und Anfang 2022 abgeschlossen wurde. Bei den Tests, die in den Einrichtungen der GFS und an zusätzlichen, von den Plattformanbietern vorgeschlagenen Standorten durchgeführt wurden, wurden sowohl die Zeitmessung als auch die Positionierungsleistung unter statischen und kinematischen Bedingungen, in Gebäuden und im Freien, bewertet. Die von den getesteten Systemen erreichte Positionierungsgenauigkeit reichte von metergenauer Präzision bei Satelles und Nextnav bis zu zentimetergenauer Genauigkeit bei Locata, wenn ein komplexerer Ansatz verwendet wurde. Die zeitliche Leistung wurde anhand einer 10-⁶ s-Anforderung gemessen. Nur GMV und Satelles waren in der Lage, die UTC-Zeit für mehr als 100 Tage zu erzeugen oder beizubehalten. Andere Anbieter demonstrierten eine GNSS-unabhängige Zeitübertragung, konnten aber die UTC-Zeit ohne zusätzliche Atomuhren oder eine Verbindung zu einem Nationalen Metrologischen Institut (NMI) nicht aufrechterhalten. SCPTime z.B. konnte UTC mit 10-³ s ohne GPS und 10-⁶ s mit einem GPS-Empfänger auf der Benutzerseite garantieren und damit bis zu 24 Stunden 10-⁶ s Backup bieten; das Unternehmen wird jedoch jetzt abgewickelt. Die Lösung von GMV stützte sich auf zwei Passive Hydrogen Maser Zeitketten und feste Telekommunikationsnetze, wodurch das 10-⁶ s-Ziel erreicht wurde, allerdings mit einem einzigen Fehlerpunkt und der Abhängigkeit von Hardware Dritter. Satelles betreibt bereits ein LEO-basiertes UTC-Verteilungssystem, das keine weitere Forschung und Entwicklung in Europa erfordert. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die größte Einschränkung der derzeitigen A-PNT-Technologien in der Bereitstellung von UTC besteht, für die NMIs die stabilste, kostengünstigste und präziseste Quelle darstellen. Der Bericht empfiehlt einen System-of-Systems-Ansatz, bei dem mehrere PNT-Infrastrukturen kombiniert werden, um einen kontinuierlichen, zuverlässigen Dienst zu gewährleisten, anstatt sich auf eine einzige Technologie zu verlassen. Die Analyse stellt auch fest, dass die 10-⁶ s Zeitgenauigkeitsanforderung für aufstrebende Sektoren wie autonomes Fahren, Datenzentren und intelligente Städte, in denen eine 10-⁹ s-Genauigkeit notwendig werden könnte, zu milde sein könnte. Ältere Systeme könnten auch Schwierigkeiten haben, die von den getesteten Plattformen gezeigten Cybersicherheitsstandards zu erfüllen.
Das Projekt wurde von der Europäischen Kommission finanziert und von der GFS koordiniert, die die Testanlagen, den Testplan und die Datenanalyse zur Verfügung stellte. Die sieben A-PNT-Anbieter – Satelles, Nextnav, Locata, GMV, SCPTime und zwei weitere, die in dem Auszug nicht genannt werden – nahmen als Vertragspartner teil, indem sie ihre Systeme für die Bewertung zur Verfügung stellten und die technische Dokumentation lieferten. Die Rolle der GFS umfasste die wissenschaftliche Aufsicht, die Versuchsplanung und die Zusammenstellung des im März 2023 veröffentlichten Abschlussberichts. Der Bericht skizziert außerdem drei Umsetzungsszenarien für die Einführung von A-PNT in der gesamten EU: ein Basisszenario ohne Maßnahmen, die Einführung einer einzelnen Technologie auf lokaler, nationaler oder EU-weiter Ebene und ein marktgesteuertes System-of-Systems-Szenario, das der Bericht empfiehlt. Die Empfehlung umfasst konkrete Maßnahmen für die Kommission, um Haushaltsverpflichtungen und langfristige Pläne zur Stimulierung von Investitionen der Industrie bereitzustellen, sowie „niedrig hängende Früchte“, um das PNT-Ökosystem der EU zu stärken und Europas globale Position zu verbessern. Die Zusammenarbeit zwischen der Kommission, der GFS und den A-PNT-Anbietern zeigt, dass koordinierte Anstrengungen unternommen werden, um robuste Navigations- und Zeitgebungslösungen für kritische europäische Infrastrukturen zu bewerten und voranzutreiben.
