Die Masterarbeit erweitert den FIVIS-Fahrradsimulator, der ursprünglich von HHK+08 entwickelt und später 2022 aktualisiert wurde, durch die Integration eines Moduls für temporale Schlussfolgerungen, das es Nicht-Spieler-Charakteren (NSCs) ermöglicht, neues Wissen aus zuvor erworbenen Informationen abzuleiten. Das hinzugefügte regelbasierte Inferenzsystem verwendet Tags und einen State-History-Mechanismus, um motorisierte NSCs in die Lage zu versetzen, die Absichten von Fußgängern frühzeitig zu antizipieren und diese Antizipation in ihren Entscheidungsprozess einzubeziehen. Die Inferenzmaschine wertet Fußgängerintention-Tags wie APPROACH_PEDESTRIAN_CROSSING, ON_AGENT_LANE und LEAVE_PEDESTRIAN_CROSSING aus und wendet dabei Vertrauensschwellen an, die in einem PedestrianIntentionProfile definiert sind. Zum Beispiel wird im Standardprofil eine Konfidenz von 0,3 für die Annäherung an eine Kreuzung, 0,0 für das Bleiben auf der Fahrspur und 0,7 für das Verlassen der Kreuzung verwendet, während modifizierte Profile diese Werte auf 0,5, 0,0 und 0,8 oder 0,74, 0,1 in anderen Szenarien anpassen. Diese Schwellenwerte werden mit Markov-Ketten-Übergangswahrscheinlichkeiten kombiniert, um die stochastische Entwicklung der Fußgängerzustände zu modellieren.
Um das System zu bewerten, wurden drei realistische Verkehrsszenarien implementiert. In Szenario 1.1 startet ein Agent mit einer Zielgeschwindigkeit von 13,89 m s-¹ von der Position A1, während ein Fußgänger bei F1 beginnt, 7,96 m von der Kreuzungsmitte entfernt. Szenario 1.2 verwendet die gleiche Geschwindigkeit des Agenten, startet aber von A4 aus, während der Fußgänger sich in F3 befindet, 20,22 m entfernt. Szenario 2.1 führt eine langsamere Geschwindigkeit des Agenten von 8,33 m s-¹ ab A3 ein, wobei sich der Fußgänger wieder bei F3 befindet. In allen Fällen werden der Standard-Regelsatz und die Standard-Markov-Übergangswahrscheinlichkeiten angewendet. Szenario 3 untersucht die abrupte Umkehrung der Fußgängerbewegung. In vier Varianten werden entweder der Regelsatz oder die Übergangswahrscheinlichkeiten verändert, um zu zeigen, wie Änderungen der Inferenzschwellen die Wahrscheinlichkeit von Kollisionsereignissen beeinflussen. Die Simulationsparameter zeigen, dass seltene Unfallszenarien zwischen virtuellen Fußgängern und Autofahrern nur dann auftreten, wenn der Entscheidungsprozess durch unvollständige, fehleranfällige oder mehrdeutige Eingabedaten beeinflusst wird, wodurch menschenähnliche Unsicherheit und Fehler im NPC-Verhalten reproduziert werden.
Die Leistungsergebnisse zeigen, dass der erweiterte Simulator plausible, nicht-deterministische Unfallszenarien erzeugen kann, ohne die Geschwindigkeit der Echtzeitsimulation zu beeinträchtigen. Die Spurwechselentscheidungen des Agenten werden innerhalb von Millisekunden ausgewertet, und die Tag-Auswertungsschleife der Inferenzmaschine verarbeitet alle wahrnehmbaren Fußgänger in einem einzigen Bild, wodurch die Bildrate des Simulators auf einer Standard-Workstation bei über 60 fps gehalten wird. Durch die Verwendung von Markov-Ketten-Wahrscheinlichkeiten kann das System statistisch realistische Fußgängertrajektorien mit Übergangsmatrizen wie (0,3, 0,0, 0,7) für das Standardprofil und (0,5, 0,0, 0,8) für modifizierte Profile erzeugen und so sicherstellen, dass das Verhalten der Fußgänger in den verschiedenen Simulationsläufen variiert.
Das Projekt wurde im Rahmen eines Masterstudiengangs an einer deutschen Universität durchgeführt und von einem Fakultätsmitglied der Informatikabteilung betreut. Es waren keine externen Partner involviert und die Arbeit wurde durch ein internes Forschungsstipendium der Universität finanziert, das für das Abschlussprojekt des Studenten vorgesehen war. Der Zeitrahmen umfasste das akademische Jahr 2023-2024, in dem der Autor das Inferenzmodul entwickelte, die drei Szenarien implementierte und eine umfassende Validierung anhand der erwarteten Verhaltensmuster von Fußgängern durchführte. Die Zusammenarbeit fand ausschließlich innerhalb der Universität statt, wobei der Betreuer bei der Integration des regelbasierten Systems in die bestehende FIVIS-Architektur und bei der Gestaltung der Bewertungsszenarien beratend zur Seite stand.
