Im Rahmen des SituWare-Projekts sollte eine umfassende Software- und Hardwareplattform, SituSYS, entwickelt werden, die das Situationsbewusstsein des Fahrers zuverlässig erkennen, interpretieren und in die Fahrzeugsteuerung einbeziehen kann. Ziel war es, Übergabeszenarien beim hochautomatisierten Fahren zu verbessern, indem die Übergangszeiten verkürzt, unnötige Warnungen reduziert und damit die Akzeptanz und das Vertrauen des Fahrers erhöht werden. Eine zentrale technische Herausforderung bestand darin, adaptive Interaktionsstrategien zu entwickeln, die die vom Fahrer gewählten Aktionen nicht beeinträchtigen und den Fahrer während der Übergabe nicht ablenken.
Der Beitrag von AVL konzentrierte sich auf die Auswahl der Sensoren, die Algorithmen für den Fahrerzustand, eine Hardware-in-the-Loop (HIL) und Virtual-Reality (VR) Testumgebung, einen Fahrzeugdemonstrator und die Integration aller Komponenten. Die Sensoren sind vollständig nicht-invasiv. Eine primäre Kamera überwacht die Kopfhaltung, das Öffnen der Augen und die Blickrichtung, während eine sekundäre Seitenkamera sekundäre Aufgaben wie Radio- oder Telefonnutzung erkennt. Zusätzliche Sensoren verbessern die Robustheit durch Sensorfusion: ein Sitzpositionssensor zeigt an, ob der Fahrer sich dreht, um nach einem Kind zu greifen, Lenkradberührungssensoren bestätigen die Anwesenheit der Hand und ein Herzfrequenz- und Atmungssensor eines Fitness-Trackers liefert Indikatoren für Müdigkeit und Ablenkung. Die Erkennung von Handbewegungen am Lenkrad erfolgt entweder durch einen kapazitiven Sensor im Testfahrzeug oder durch die Erkennung der Lenkraddrehung im Simulator. Der Sitzpositionssensor wurde von einem Partner geliefert, der ihn zuvor für ein anderes Projekt entwickelt hatte. Es wurde kein Elektroenzephalographiesystem (EEG) eingesetzt, da keines der auf dem Markt erhältlichen Systeme die geforderte Leistung zur Erkennung des Fahrerzustands erfüllte.
Die Software-Architektur wurde auf der Middleware Robot Operating System (ROS) aufgebaut, die aufgrund des einfachen Austauschs von Komponenten zwischen den Partnern ausgewählt wurde. ROS ermöglichte die nahtlose Integration von AVLs eigenen Modulen mit denen der anderen Konsortiumsmitglieder. Zur Validierung der Fahrerzustandserkennung und der adaptiven Interaktionslogik wurde ein VR-System entwickelt. Die VR-Umgebung konnte ein „Autobahn mit Baustelle“-Szenario simulieren, wobei die Wetterbedingungen und die Verkehrsdichte variierten. Die Aufmerksamkeitserkennung erfolgte durch die Analyse der Blickrichtung, und die Mensch-Maschine-Schnittstelle (HMI) zeigte dem Fahrer in Echtzeit den Grad seiner Aufmerksamkeit und Müdigkeit an. Das VR-System ermöglichte auch die Bewertung der Übergabestrategie unter kontrollierten, aber realistischen Bedingungen.
Das Projekt war in sechs Arbeitspakete unterteilt. Arbeitspaket 1 definierte Szenarien, Anwendungsfälle und Anforderungen. Arbeitspaket 2 (unter der Leitung von AVL) befasste sich mit der Auswahl der Sensoren und der Erkennung des Fahrerzustands. Arbeitspaket 3 (unter der Leitung des DLR) konzentrierte sich auf die Modellierung und Interpretation des Situationsbewusstseins. Arbeitspaket 4 (geleitet von der Universität Ulm) entwickelte adaptive Interaktionsstrategien. Arbeitspaket 5 integrierte alle Komponenten in die SituSYS-Plattform und evaluierte sie sowohl in der Simulation als auch in einem realen Fahrzeugdemonstrator. Arbeitspaket 6 (in diesem Auszug nicht näher beschrieben) befasste sich vermutlich mit der Validierung und Verbreitung des Systems.
SituWare wurde vom deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz als nationales Verbundforschungsprojekt gefördert. Das Konsortium bestand aus fünf Partnern: AVL Software & Functions GmbH, Deutsches Luft- und Raumfahrtzentrum e.V. (DLR), Human Factors Consult GmbH (HFC), Humatects GmbH (HMT) und die Universität Ulm. Die AVL übernahm die administrative Leitung des Konsortiums, während das DLR die technische Leitung übernahm. Das Projekt hatte eine Laufzeit von drei Jahren, mit einer zweimonatigen kostenneutralen Verlängerung am Ende.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass SituWare ein vollständig integriertes System zur Überwachung des Fahrerzustands und zum adaptiven Handover entwickelt hat, das mehrere nicht-invasive Sensoren, eine ROS-basierte Softwarearchitektur, eine VR-Validierungsumgebung und einen realen Fahrzeugdemonstrator kombiniert. Das Design und die Implementierung des Systems legen den Grundstein für sicherere und akzeptablere Übergänge zwischen automatisiertem und manuellem Fahren und beseitigen damit ein entscheidendes Hindernis für die breite Einführung hochautomatisierter Fahrzeuge.

